Ich finde meine Träume nicht mehr. Auch wenn ich in meiner betäubten Kopfschale krame wie in einer durcheinander geratenen Handtasche. Ich muss sie verloren haben. Oder sie sind mir entfallen. Als hätte mein Gehirn ein Art Klospülung betätigt und alles Feste und Überflüssige durch den synaptischen Abfluss gejagt.

Ich frage mich, wo die ganzen Ideen und Flausen geblieben sind? Kann man die ausscheiden? Über Haut und After? Oder abhusten? Nur ein dünnes Rinnsal von ein paar Erinnerungen an den Tag vor der Nacht ist zurückgeblieben.

Nichts besonderes: Einkauf, Fahrrad gefahren, Kopfsteinpflaster, Hupen, dumpfer Krach, Geschrei, ein Geräusch berstender Knochen. Stille.

Seit dem Erwachen sieht die Welt anders aus: aufgeräumter, klarer, minimal. Der Verband um meinen Kopf scheint alles zusammenzuhalten. (Ich danke Dir, Verband.) Nur zum Schlafen ist er nicht hilfreich, denn er kratzt fürchterlich. Das wird wahrscheinlich der Schorf von dem geronnenen Blut meiner Kopfwunde sein. Auf dem rasierten Schädel sieht es aus, als würde mir ein Mittelgebirge daraus wachsen. Ich konnte es beim Verbandswechsel kurz in dem Spiegel an meinem Bett sehen. (Das Bild flackert vor meinem Auge auf wie ein glimmendes Feuer, in das Benzin gegossen wird.)

Ich würde mich gern jucken, aber das geht nicht. Seit dem Unfall kann ich meine Arme nicht mehr spüren. Genauso wie alle anderen Gliedmaßen unterhalb meines vierten Halswirbels. (Ich bin nicht abergläubisch, aber diese Zahl habe ich mir gemerkt.)

Bei dem Gedanken an die vom Chefarzt nüchtern vorgetragene Diagnose wird mir schwindlig. (Zum Glück liege ich schon, ha ha.) Er sah dabei so geschäftsmäßig aus, als wolle er mir gerade eine Waschmaschine verkaufen oder ein Zeitungsabo.

Ich kann mich nicht erinnern, etwas gegessen zu haben, denn wenn ich jetzt kotzen müsste, wäre das lebensgefährlich.

Aber für welches Leben?

Die Nachtlampen des Krankenzimmers scheinen sich zu drehen und ich verliere wohl das Bewusstsein. Mal wieder.

 

00:17

Ich finde meine Träume nicht mehr.