schon seit einigen Minuten

im Zickzack zwischen

zerklüfteten Wolkenbrocken,

die wie weiche Faustkeile

in unsere Richtung drohen

 

Die Sonne ist längst vom

klumpigen meteorologischen

Auswurf erstickt worden

und hat sich anderen

Gegenden zugewandt

 

Eine Zirralwand aus

unverhohlener Dunkelheit

hat sich aufgetürmt

wie ein himmlischer Türsteher,

grimmig und abweisend

 

Hinter mir schlägt seit

geraumer Zeit ein Passagier

auf die Tastatur seines

Laptops ein, als würde

er sein Testament verfassen

 

(Es muss ein Mann sein,

denn ein tieftönendes

Schnauben begleitet diesen

Vorgang, das nach einem

hohen Nasenhaargehalt klingt)

 

Ich spüre die Vibrationen seiner

Anschläge in meinem Rücken und

versuche mir spaßeshalber vorzustellen,

welcher Buchstabe gerade unter

seinen Fingerkuppen leidet

 

Unverständliches Kauderwelsch

bohrt sich durch die Stuhllehne

in meine eingeschlafene

Haut wie eine Massage aus

eingebildeten Worten

 

Er muss etwas hinterlassen wollen,

sonst müsste er nicht so

inbrünstig die Maschine

und seine Gliedmaßen malträtieren

und mich

 

Vielleicht ist es eine Beichte?

Oder er ist wütend? Oder er schreibt

einfach immer so martialisch?

Selbst, wenn er einen Liebesvers

verfasst?

 

Oder Worte des Abschieds?

 

Jede abwegige Überlegung ist eine

gute Ablenkung von den tausend

Metern unter mir voller möglicher

finaler Gedanken, die mir im Falle

eines Falles einfallen könnten

 

Die Ansagen sind dreisprachig,

aber nicht beruhigend

 

In der Zwischenzeit hat sich

die aufdringliche Luftmasse

um uns geschlungen wie eine

unheimliche krakenartige

Umarmung

 

Der aschfahle Partikelbrei

saugt sich an allen Teilen

des Flugzeuges fest, während

dieses ruckelnd und ächzend

versucht, sich zu befreien

 

Meine Nachbarin starrrrrrrrrrt

regungslos in ein Buch und ich

frage mich, ob man bei diesem

heftigen Geschaukel überhaupt

noch die Zeilen erkennen kann

 

Wenn die Maschine lange genug

herumschlingern würde, könnte

sich das Gehirn wahrscheinlich

daran gewöhnen und dann wäre

es wieder möglich zu lesen

 

Allerdings gäbe es ein Problem,

wenn sich der gefühlte Parabelflug

irgendwann wieder beruhigen sollte

Dann würde der Kopf noch immer Geruckel

simulieren und alles verschwimmen lassen

 

So wie bei einer d_fekten

Rolltreppe, auf der ich regelmäßig

ins Schwanken komme, weil mein

Gehirn eine Bewegung unterstellt,

die gar nicht passiert

 

Kinder schreien, besorgte Blicke

schießen wie Giftpfeile in alle

Richtungen durch die verschwitzte

Kabine, Stewardessen eilen torkelnd

durch den Gang

 

Belanglose Musik geht an

(James Last Orchester?)

 

und hinter den dünnwandigen

Plastikfenstern die Welt unter

 

Meine intelligente Uhr verrät mir,

dass es jetzt Zeit sei aufzustehen

 

So so

 

Ich frage mich, ob Geräte in

absehbarer Zukunft in der Lage sein

könnten, Notsituationen zu erkennen

und adäquate Verhaltenshinweise zu

geben

 

und ob die digitalen Helfer dann

auch gnadenlos ehrlich wären,

wenn keine Aussicht auf Rettung

bestünde.

Was würden sie uns dann mitteilen?

 

„Schade! Alle nahen Verwandten wurden

über ihr wahrscheinliches Ableben in Kenntnis

gesetzt und sämtliche Versicherungen informiert“

„Gut gemacht! Ihr Leben war durchschnittlich erfolgreich“

„Nicht schlecht! Sie haben 4 von 10 möglichen

Existenzstufen gemeistert“

„Da geht noch was! Auf einer Skala von 1 bis 100

liegt ihr erzielter gesellschaftlicher Mehrwertfaktor bei 54″

„Ta da! Wir haben folgende Vorschläge letzter Worte für sie:“

 

???

 

Die Motoren machen Geräusche,

die wie das Heulen eines weidwunden

Tieres klingen und ich muss

mich zusammenreißen, um nicht

verzweifelt einzustimmen

 

Eine wilde Strömung als Sturzregen

verkleideter Wassermassen

a*t*t*a*c*k*i*e*r*t mein Fenster,

so dass es scheint, als wären wir

unbemerkt untergetaucht

Wow

 

Dieses Flugzeug steckt voller

Überraschungen inmitten seines

Überlebenskampfes, den ich durch

die gefluteten Bullaugen

beobachte

 

Als wir aufsetzen, kann ich

außer einem grauen Vorhang aus

peitschender Sintflut nichts

erkennen, obwohl ich so

angestrengt am Fenster klebe,

 

dass meinen schreckerstarrten

Augen die Austrocknung droht

 

Kann man also doch im Himmel

landen?

 

Applaus

 

Beim Verlassen des Flugzeuges

muss ich an die erläuternden

Worte des Kapitäns denken:

 

„Komplizierter Anflug“